Im Jahr 2020 entschied der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 18. Juni 2020 (Az.: 4 StR 482/19) bereits zum zweiten Mal über einen sehr tragischen Fall, der sich in Berlin ereignete, und setzte sich dabei vor allem mit dem Unterschied zwischen der bewussten Fahrlässigkeit und dem bedingten Vorsatz auseinander.
Der „Berliner-Raser-Fall“ oder auch „Ku’damm-Raser-Fall“ sorgte seinerzeit für hohes Aufsehen und löste eine rege Debatte darüber aus, unter welchen Voraussetzungen Raser mit Tötungsvorsatz handeln.
Der Leitsatz des BGH lautet:
„1. Die Bewertung der Eigengefährdung durch den Täter kann abhängig von seinem Vorstellungsbild über mögliche Tathergänge abgestuft sein; so kann er bei Fassen des Tatentschlusses einen bestimmten gefahrbegründenden Sachverhalt hinnehmen, während er auf das Ausbleiben eines anderen, für ihn mit einem höheren Risiko verbundenen Geschehensverlauf vertraut.
2. Für die Prüfung, ob ein Unfallgeschehen mit tödlichen Folgen vom bedingten Vorsatz des Täters umfasst war, kommt es daher darauf an, ob er den konkreten Geschehensablauf als möglich erkannt und die damit einhergehende Eigengefahr hingenommen hat. Ist dies der Fall und verwirklicht sich dieses Geschehen, ist es für die Prüfung der Vorsatzfrage unerheblich, ob weitere Geschehensabläufe, die aus seiner Sicht mit einer höheren und deshalb von ihm nicht gebilligten Eigengefahr verbunden waren, ebenfalls für möglich erachtet hat.“
[BGH, Urteil vom 18. Juni 2020 – 4 StR 482/19][1]
Zum Sachverhalt:
Im Februar 2016 lieferten sich die beiden Angeklagten H. und N. ein Autorennen auf dem Kurfürstendamm in Berlin, wobei sie den Ermittlungen zufolge zwischenzeitlich eine Geschwindigkeit von bis zu 170 km/h erreichten. Der Angeklagte H., der das Rennen unbedingt gewinnen wollte, entschloss sich schließlich, Vollgas zu geben und bei der nächsten roten Ampel nicht anzuhalten, was ihm zu diesem Zeitpunkt noch möglich gewesen wäre, sondern in die Kreuzung einzufahren. Er erkannte die Möglichkeit, mit querenden Fahrzeugen zu kollidieren, wie auch, dass ein Aufprall mit einem anderen Fahrzeug bei seiner Geschwindigkeit zum Tod der sich in den anderen Fahrzeugen befindlichen Insassen führen könnte. In Bezug zu seiner eigenen Sicherheit und der seiner Beifahrerin rechnete der Angeklagte H. im Falle einer Kollision mit nur leichten Verletzungen, die er aber ebenso billigend in Kauf nahm.
Der Angeklagte N., der den Willen des Angeklagten H. erkannte, beschleunigte daraufhin ebenfalls, nahm aber im Hinblick auf die Erkenntnis, dass eine Kollision mit einem anderen Fahrzeug möglich wäre, den Fuß kurz vom Gaspedal. Daraufhin beschleunigte aber auch er wieder sein Fahrzeug und fuhr nahezu gleichzeitig mit dem Angeklagten H. über die rote Ampel in die Kreuzung ein.
Das Fahrzeug des Angeklagten H. kollidierte sodann mit einer ungefähren Geschwindigkeit von 160 bis 170 km/h rechtwinklig mit dem Fahrzeug des Geschädigten W., der regelkonform bei grünem Licht in den Kreuzungsbereich einfuhr. Das durch den Aufprall vollständig zerstörte Fahrzeug des W. wurde in die Luft geschleudert, während das Fahrzeug des H. mit dem Fahrzeug des N. kollidierte. W. erlitt schwerste Verletzungen und verstarb schließlich am Unfallort.
Das Landgericht Berlin verurteilte die Angeklagten mit Urteil vom 26. März 2019 (Az.: 532 Ks 9/18) bezüglich des W. wegen mittäterschaftlich begangenen Mordes gemäß § 211 Abs. 2 StGB unter Verwirklichung der Mordmerkmale der Heimtücke, niedrigen Beweggründe sowie Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln. Außerdem wurden sie in Tateinheit dazu wegen der mittäterschaftlichen gefährlichen Körperverletzung der Beifahrerin des N. gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB und der Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2 c), d) StGB verurteilt.
Die Angeklagten N. und H. erhoben gegen dieses Urteil Revision.
A. Revision des Angeklagten N.
Der BGH stellte fest, dass die Erwägungen, die das Landgericht Berlin bezüglich der Mittäterschaft des Angeklagten N. getroffen hatte, einer rechtlichen Nachprüfung nicht standhalten konnten.
I.
Bezüglich der Mittäterschaft im Allgemeinen führte der BGH aus, dass hierzu ein gemeinsamer Tatentschluss vorliegen muss, zu dessen Verwirklichung alle Mittäter einen Tatbeitrag leisten müssen.[2] Zur Konkretisierung des gemeinsamen Tatplans genügt laut BGH auch eine konkludente Übereinkunft.
Der BGH führte hierzu aus:
„Ein mittäterschaftlich begangenes Tötungsdelikt setzt daher voraus, dass der gemeinsame Tatentschluss auf die Tötung eines Menschen durch arbeitsteiliges Zusammenwirken gerichtet ist. Für die Annahme eines mittäterschaftlich begangenen Tötungsdelikts reicht es deshalb nicht aus, dass sich die Täter lediglich zu einem gemeinsamen Unternehmen entschließen, durch das ein Mensch zu Tode kommt.“[3]
II.
Das Landgericht hatte bezüglich der Mittäterschaft des N. ausgeführt, dass die beiden Angeklagten den gemeinsamen Tatentschluss zur Durchführung des Rennens vor der Kreuzung konkretisiert hatten, indem der Angeklagte H. beschleunigte und damit den Willen bekannt gab, trotz der roten Ampel in die Kreuzung einfahren zu wollen und somit auch die Verletzung oder Tötung Anderer in Kauf zu nehmen. Der Angeklagte N., der nach seinem kurzen Zögern auch wieder beschleunigte, hätte hiermit dem Angeklagten H. zu erkennen gegeben, dass auch er das Rennen unter dem Umstand, dass die Verletzung oder Tötung Anderer möglich war, fortsetzen wollte. Laut dem Landgericht hatten beide Angeklagte bis zur Kollision die gemeinsame Tatherrschaft über das Geschehen.
III.
Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
1.
Der BGH wies vordergründig darauf hin, dass die vorgebrachten Beweise den vom Landgericht unterstellten gemeinsamen Tatentschluss der beiden Angeklagten nicht stützen. Es fehle an einer konkludenten Erweiterung des gemeinsamen Tatentschlusses von einem Straßenrennen bis hin zu der Tötung eines Menschen, da hinsichtlich des sehr schnellen Ablaufs des Geschehens und der Fokussierung der beiden Angeklagten auf das Rennen nicht davon ausgegangen werden könne, dass eine Übereinkunft stattgefunden habe.
2.
Im Übrigen verwies der BGH auf die Frage, inwiefern der Angeklagte N. nach der vermeintlichen Fassung des gemeinsamen Tatentschlusses noch einen Tatbeitrag hätte leisten können. Dies führe dahingehend zu einer Verneinung der Mittäterschaft, weil laut BGH bei einem bereits losgetretenen Geschehen, auf das der angebliche Mittäter keinen Einfluss mehr nehmen kann, der Tatbestand der Mittäterschaft trotz Kenntnis und Billigung nicht erfüllt sei. Im vorliegenden Fall war es nach Ansicht des BGH zwar für den Angeklagten N. noch möglich sein Fahrzeug abzubremsen, nicht aber auf das Fahrzeug des H. einzuwirken und insofern etwas am weiteren Verlauf der Geschehnisse zu verändern. Maßgeblich sei demnach hier die Frage, ob der Angeklagte H. zum Zeitpunkt des Tatentschlusses noch habe abbremsen können, da nur dann angenommen werden könne, dass der Angeklagte N. Einfluss auf den weiteren Verlauf gehabt habe.
B. Revision des Angeklagten H.
Der BGH urteilte, dass die Erwägungen des Landgerichts Berlin bezüglich der Strafbarkeit des Angeklagten H. der revisionsrechtlichen Nachprüfung standhalten konnten.
I.
Dass sich der Angeklagte H. laut dem Urteil des Landgerichts des Mordes strafbar gemacht hat, wurde vom BGH bestätigt.
1.
Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte H. habe mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt, weist keine Rechtsfehler auf.
Der BGH führte aus, dass bedingter Tötungsvorsatz dann zu bejahen ist, wenn der Täter den möglichen Erfolgseintritt, den Tod eines Menschen, erkennt (Wissenselement) und sich damit abfindet beziehungsweise dies billigend in Kauf nimmt, auch wenn ein solcher Erfolgseintritt für den Täter unerwünscht ist (Willenselement). In Abgrenzung hierzu handelt ein Täter mit bewusster Fahrlässigkeit, wenn er ebenfalls den möglichen Erfolgseintritt erkennt, dieser ihm aber widerstrebt und er ernsthaft darauf vertraut, dass dieser nicht eintreten wird.[4]
Für die Prüfung des bedingten Vorsatzes ist es erforderlich, die beiden Elemente jeweils anhand der konkret vorliegenden Beweise auf ihr Vorliegen hin zu überprüfen.
a) Wissenselement
Hinsichtlich des Wissenselementes hatte das Landgericht dieses als gegeben betrachtet. Gestützt wurde diese Erwägung zum einen auf die Aussagen des Angeklagten H. gegenüber der beauftragten Verkehrspsychologin, bei der er zu erkennen gab, dass er Risiken tagsüber meide, nachts jedoch solche eingehe. Zum anderen wurde die Erwägung auf die durch Sachverständige ermittelte Geschwindigkeit des Fahrzeugs des Angeklagten H. gestützt, welche nach entsprechender Überprüfung zwischen 160 und 170 km/h betrug. Der BGH stimmte diesem Ergebnis des Landgerichts zu; der Angeklagte musste erkannt haben, dass er oder andere Verkehrsteilnehmer bei seiner Geschwindigkeit nicht mehr unfallvermeidend reagieren konnten und auch, dass bei einem Aufprall mit dem Querverkehr dieser höchstwahrscheinlich an der vergleichsweise ungeschützten Fahrerseite getroffen werden würde, was beinahe unzweifelhaft deren Tötung zur Folge hätte.
b) Willenselement
Der BGH stimmte den Ausführungen des Landgerichts hinsichtlich des Willenselements dahingehend zu, dass der Täter eine durch sein Fahrverhalten mögliche Tötung eines anderen Menschen billigend in Kauf nahm.
aa)
Besonders kritisch wurde die Eigengefährdung des Angeklagten H. betrachtet. Laut BGH sei bei derart gefährlichen Handlungen im Straßenverkehr eher damit zu rechnen, dass der Täter hinsichtlich seines eigenen Überlebenswillens auf einen guten Ausgang vertraue und somit auf der Seite der bewussten Fahrlässigkeit stehe.
Der BGH betonte, dass die Beurteilung des Maßes an Eigengefährdung des Täters an dem objektiven Tatgeschehen zu erfolgen habe, und auch, dass von einer Abstufung der verschiedenen Szenarien ausgegangen werden müsse, weil der Täter laut BGH zwar vielleicht die Kollision mit einem Fußgänger, nicht aber die Kollision mit einem LKW billigend in Kauf genommen hätte. Das maßgebliche Entscheidungskriterium sei dementsprechend, ob der Täter einen möglichen Ablauf der Geschehnisse und die damit verbundene Gefahr für sich selbst erkannt und diese auch so hingenommen habe.
Das Landgericht stellte fest, dass der für den Angeklagten H. erkennbare Unfallhergang vorliegend auch eingetreten war und dementsprechend keine Überprüfung möglicher anderer Unfallszenarien vorzunehmen sei. Die darauf aufbauende Schlussfolgerung des Landgerichts, der Täter habe die mögliche Eigengefährdung als gering eingeschätzt, wurde vom BGH bestätigt, da festgestellt wurden konnte, dass sich der Angeklagte in seinem modernen Fahrzeug sehr sicher fühlte und auch trotz vorheriger Unfälle und seiner bewusst riskanten Fahrweise grundsätzlich keinen Sicherheitsgurt anlegte.
bb)
Eine weitergehende Beurteilung des Tatmotivs des Täters führte zu der Erkenntnis, dass das Handlungsmotiv des Angeklagten, das Rennen um jeden Preis zu gewinnen, für den Angeklagten eine überaus vordergründige Rolle spielte und er für die Erreichung dieses Ziels bewusst das Risiko steigerte. Hieraus ergebe sich, dass die damit einhergehenden möglichen Folgen der Tathandlung für den Angeklagten H. gleichgültig waren. Die Annahme des Landgerichts, dass dieses Handlungsmotiv vorsatzbestätigend zu bewerten sei, wurde vom BGH unterstützt.
cc)
Der BGH urteilte außerdem, dass die Entscheidung des Landgerichts, der Selbsteinschätzung des Angeklagten H. keine maßgebliche Rolle hinsichtlich des Vorsatzes zukommen zu lassen, teils rechtlich bedenklich, im Ergebnis jedoch noch vertretbar gewesen ist. Das Landgericht hatte aus dem verkehrspsychologischen Gutachten mündend eine maßlose Selbstüberschätzung des Täters bezüglich seiner fahrerischen Fähigkeiten festgestellt, diese jedoch unter dem Hinweis, dass es sich nicht um eine psychologische Störung handele, nicht weiter berücksichtigt. Der BGH rügte hier, dass es bei dem Willenselement nicht nur auf pathologische Zustände ankäme, sondern auch beispielsweise auf eine psychische Beeinträchtigung in Folge von alkoholischen Getränken, sodass eine Berücksichtigung hätte erfolgen müssen. Nichtsdestotrotz stellte der BGH fest, dass sich diese verkürzte Erwägung des Landgerichts nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hatte, weil schon aus den anderen Umständen ersichtlich war, dass der Angeklagte den Unfall nicht mehr hätte verhindern können und demnach auch nicht auf einen unfallfreien Geschehensablauf vertrauen konnte.
2.
Der BGH erörterte, dass die Bewertung der Tat als Mord unter dem Mordmerkmal der Heimtücke und dem Merkmal der niedrigen Beweggründe der rechtlichen Nachprüfung standhalten könne, jedoch nicht die Erwägung, es handele sich auch um eine Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln.
a)
Bezüglich des Mordmerkmals der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln gemäß § 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 3 StGB führte der BGH aus, dass dies dann zu bejahen sei, wenn das Mittel nach seiner konkreten Verwendung im Einzelfall dazu geeignet ist, eine Vielzahl an Menschen zu verletzen und der Täter auf die genaue Ausdehnung der Gefahr keinen Einfluss hat.
Das Landgericht unterstellte dem Angeklagten H., dass diesem bewusst gewesen sein musste, dass sich die durch die hohe Geschwindigkeit seines Fahrzeugs bedingte Gefahr, die von ihm ausging, nicht nur auf solche Fahrzeuge bezog, welche von rechts in die Kreuzung einfuhren, sondern, dass gleichwohl auch Passanten und andere Fahrzeuge gefährdet waren. Der BGH hielt dem entgegen, dass nicht sicher festgestellt werden konnte, dass der Angeklagte H. diese verschiedenen Möglichkeiten neben dem Hauptaufprall bewusst wahrgenommen und damit billigend in Kauf genommen hatte. Zusätzlich konnte das Landgericht auch nicht belegen, dass der Angeklagte H. den Zusammenprall mit dem Fahrzeug des Angeklagten N. vorhergesehen und billigend in Kauf genommen hatte. Folglich lehnte der BGH die Annahme einer Tötung mittels gemeingefährlicher Mittel ab.
b)
Etwas anderes ergab jedoch die Prüfung des BGH hinsichtlich des Mordmerkmals der Heimtücke gemäß § 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1 StGB, die dann vorliegt, wenn der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Besondere Relevanz kommt zudem dem Ausnutzungsbewusstsein zu, weil für die Annahme einer heimtückischen Tötung erforderlich ist, dass der Täter sich der Ausnutzung seinerseits bewusst ist. Dies kann laut BGH besonders bei Affekthandlungen und spontanen Tatentschlüssen fraglich sein.
Das Landgericht stellte fest, dass der Geschädigte W. zum Zeitpunkt des Einfahrens in den Kreuzungsbereich mit keinen die Verkehrsregeln so eminent verletzenden Verkehrsteilnehmern rechnete und somit arg- und wehrlos war. Hinsichtlich des Angeklagten überprüfte das Landgericht ein möglicherweise fehlendes Ausnutzungsbewusstsein, bejahte aber im selben Zug ein solches, da es hierfür nicht erforderlich sei, dass der Täter ein bestimmtes Opfer wahrnehme oder dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit zur Erreichung seines Ziels instrumentalisiere. Der Umstand, dass der Angeklagte H. zum Zeitpunkt der Tat auch keine Anzeichen für eine psychische Beeinträchtigung gezeigt habe und die Tatumstände für ihn erkennbar waren, begründete für den BGH die Bejahung der Heimtücke.
c)
Auch die Einordnung der Tat bei dem Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe gemäß § 211 Abs. 2 Gr. 1 Var. 4 StGB konnte der revisionsrechtlichen Nachprüfung standhalten.
Für die Beurteilung, ob niedrige Beweggründe für eine Tat vorliegen, also solche, die als besonders verwerflich angesehen werden, ist es laut BGH nötig, jegliche Umstände der Tat, die Lebensverhältnisse des Täters, die Persönlichkeit des Täters und die Beziehung zwischen Opfer und Täter zu berücksichtigen.[5]
Das Landgericht stellte in seinem Urteil fest, dass zwischen dem Auslöser der Tat, Sieg in einem illegalen Straßenrennen, und der Billigung einer möglichen Tötung eines Zufallsopfers ein sehr grobes Missverhältnis liegt, welches vom Landgericht mit den Worten „nicht einmal ansatzweise menschlich verständlich“[6] und „hochverwerflich“[7] beschrieben wurde. Der BGH stimmte den Ausführungen des Landgerichts über das Bewusstsein des Täters über die besondere Verwerflichkeit seiner Tat zu und stellte klar, dass der Sachverhalt keine Zweifel zuließe, die zu dem Schluss führen könnten, dass der Täter den Auslöser für sein Handeln und die damit verbundene Gefahr nicht erfasst hätte.
II.
Bezüglich der Strafbarkeit wegen gefährlicher Körperverletzung der Beifahrerin des N. konnte dem H. diesbezüglich kein vorsätzliches Handeln unterstellt werden. Laut BGH sei dies bezüglich der Gefahr der anderen Verkehrsteilnehmer und vor allem dem Zusammenstoß mit W. anzunehmen, jedoch sei es für den Angeklagten H. nicht vorhersehbar gewesen, mit dem Fahrzeug des Angeklagten N. zusammenzustoßen. Auch mangele es an einem gemeinsamen Tatentschluss zur Verletzung der Beifahrerin. Der BGH stellte eine Strafbarkeit des Angeklagten H. wegen fahrlässiger Körperverletzung gemäß § 229 StGB fest.
C. Ergebnis
Im Ergebnis urteilte der BGH, dass die Revision des Angeklagten N. Erfolg hat. Das Urteil des Landgerichts Berlin vom 26. März 2019 (Az: 532 Ks 9/18) wurde insoweit aufgehoben, wie es den Angeklagten N. betraf und die Sache wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Berlin zurückverwiesen.
Die Revision des Angeklagten H. wurde abgewiesen und sein ursprünglicher Schuldspruch geändert. Somit hatte sich H. nach dem neuen Schuldspruch wegen Mordes in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs strafbar gemacht.
D. Weiterer Verfahrensgang
Nachdem der BGH mit Urteil vom 18. Juni 2020 (Az.: 4 StR 468/19) die Verurteilung des Angeklagten N. wegen Mordes aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Berlin zurückverwiesen hatte, verurteilte dieses mit Urteil vom 2. März 2021 (Az: 529 Ks 6/20) den Angeklagte N. wegen versuchten Mordes zu 13 Jahren Freiheitsstrafe. Die vom Angeklagten N. dagegen erhobene Revision wies der BGH schlussendlich mit Beschluss vom 19. Januar 2022 (Az.: 4 StR 319/21) ab. Auch die von dem Angeklagten N. darauffolgend angestrebte Verfassungsbeschwerde wegen einer angeblichen Verletzung des Bestimmtheitsgebots aus Art. 103 Abs. 2 GG wurde mit Beschluss vom 7. Dezember 2022 (Az.: 2 BvR 1404/20) vom Bundesverfassungsgericht abgewiesen.
[1] Urteil des 4. Strafsenats vom 18.6.2020 – 4 StR 482/19 –
[2] Vgl. BGH, Beschluss v. 13. September 2017 – 2 StR 161/17; Beschluss v. 4. April 2017 – 3 StR 451/16.
[3] BGH, Urteil v. 18 Juni 2020 – 4 StR 482/19; vgl. BGH, Urteil v. 1. März 2018 – 4 StR 399/17.
[4] vgl. BGH, Urteil v. 1. März 2018 – 4 StR 399/17; Urteil v. 14. Januar 2016 – 4 StR 84/15.
[5] BGH, Urteil v. 22.März 2017 – 2 StR 656/13, Urteil v. 30. Oktober 2008 – 4 StR 352/08; Urteil v. 19. Oktober 2001 – 2 StR 259/01.
[6] BGH, Urteil vom 18.06.2020 – 4 StR 482/19, Rn. 58.
[7] BGH, Urteil vom 18.06.2020 – 4 StR 482/19, Rn. 58.
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