Ein Strafbefehl kann auf dessen Adressaten zunächst eine sehr einschüchternde Wirkung haben, gerade dann, wenn nicht mit einem solchen gerechnet wurde. Grundsätzlich gilt es aber die Ruhe zu bewahren und sich umgehend anwaltlichen Beistand zu suchen, um mögliche weitere Vorgehensweisen zu besprechen und gegebenenfalls gegen den Strafbefehl vorzugehen.
Was bedeutet rechtskräftig?
Die Rechtskraft bezeichnet die Endgültigkeit einer richterlichen Entscheidung, eines Urteils oder eines Beschlusses. Damit ist gemeint, dass der Adressat der jeweiligen gerichtlichen Entscheidung keine Rechtsmittel mehr gegen die Entscheidung erheben kann oder der Instanzenzug beendet ist. Das Ziel der Rechtskraft liegt vor allem darin, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zu gewährleisten, indem an der Entscheidung nichts mehr verändert werden kann – die Entscheidung wird dadurch endgültig unanfechtbar.
Was ist ein Strafbefehl?
Ein Strafbefehl ist ein Mittel der Justiz, um kleinere Delikte wie beispielsweise Diebstahl, einfache Körperverletzung oder Beleidigung zu ahnden, ohne dafür eine Hauptverhandlung anzuberaumen. Dem Beschuldigten wird dementsprechend lediglich ein Schreiben zugestellt, welches die vorgeworfene Straftat und die daraus resultierende Strafe enthält. Geregelt ist der Strafbefehl in den §§ 407 ff. StPO.
Lesen Sie hierzu unseren Beitrag zum Strafbefehl: Der Strafbefehl – Einfach erklärt | Rechtsanwalt Ciobanu
Strafbefehl anfechten – die Möglichkeiten
Gegen einen Strafbefehl kann gemäß § 410 Abs. 1 StPO binnen zwei Wochen entweder schriftlich oder mündlich, zu Protokoll bei der Geschäftsstelle, Einspruch eingelegt werden. Eine Begründung ist nicht erforderlich, es ist aber dennoch ratsam, einen Anwalt hinzuzuziehen, der eine Akteneinsicht beantragen und damit die beste Verteidigungsstrategie ausarbeiten kann.
Anders als bei regulären Urteilen und Beschlüssen gibt es bei Strafbefehlen nicht die Möglichkeit, Berufung oder Revision einzulegen, weil es hier keine zweite oder dritte Instanz gibt, bei der der Betroffene den Strafbefehl zur erneuten Überprüfung vorlegen könnte – der Strafbefehl wird nach der Erhebung des Einspruchs von demjenigen Richter erneut überprüft, der ihn ursprünglich gestellt hatte.
Nach der Einlegung des Einspruchs gibt es mehrere Möglichkeiten, wie weiter verfahren wird. Zum einen könnte es sein, dass der Einspruch gemäß § 411 Abs. 1 HS. 1 StPO als unzulässig abgewiesen wird, wenn die Frist verstrichen ist. Hiergegen kann eine Beschwerde erhoben werden. Sollte der Einspruch zulässig sein, so leitet das zuständige Gericht eine Hauptverhandlung ein, bei der über die Sache dann verhandelt wird. Wichtig ist hier, dass das Gericht bei der Urteilsfindung nicht an den ursprünglichen Strafbefehl gebunden ist und demnach auch eine höhere Strafe in Betracht ziehen könnte. Auch kann es sein, dass der Strafbefehl zurückgenommen wird, weil der Einspruch überzeugend dargelegt hat, dass dieser fehlerhaft ist.
Kosten für die Anfechtung eines Strafbefehls
Kosten entstehen bei einem Einspruchsverfahren grundsätzlich nicht. Es kann jedoch dann zu Kosten kommen, wenn der Einspruch erfolgreich ist und das Gericht einen Termin für die Hauptverhandlung anberaumt. Wird der Adressat des Strafbefehls dann verurteilt, so werden ihm die Verfahrenskosten auferlegt, § 465 Abs. 1 StPO. Die konkrete Höhe ist stets einzelfallabhängig. Zusätzlich muss beachtet werden, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts stets zu Kosten führt.
Wann ist ein Strafbefehl rechtskräftig?
Ein Strafbefehl wird gemäß § 410 Abs. 3 StPO dann rechtskräftig, wenn gegen ihn nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist Einspruch erhoben wurde. Er steht dann einem rechtskräftigen Urteil gleich. Die Geldstrafe, die in dem Strafbefehl verhängt wurde, ist nun zu bezahlen, andernfalls ist die Ersatzfreiheitsstrafe abzuleisten. Da es sich um eine Verurteilung handelt, wird diese auch im Bundeszentralregister und unter Umständen auch im Führungszeugnis eingetragen.
Rechtsmittel gegen einen rechtskräftigen Strafbefehl
Wie bereits oben erläutert, bedeutet Rechtskraft grundsätzlich, dass es keine Möglichkeit mehr zur Anfechtung gibt. Wenn dennoch Rechtsmittel eingelegt werden sollten, so werden diese höchstwahrscheinlich bereits als unzulässig abgewiesen und nicht tiefergehend überprüft.
Nur in bestimmten Ausnahmefällen kommt die Möglichkeit in Betracht, sich trotz der Rechtskraft gegen einen Strafbefehl zu wehren:
Wiedereinsetzung des Verfahrens
Ein Strafbefehl muss wirksam zugestellt werden. Passieren dennoch Zustellungsfehler, wie beispielsweise, dass der Strafbefehl an der Meldeadresse des Adressaten in den Briefkasten geworfen wird, der Adressat aber hier nicht mehr seinen tatsächlichen Wohnsitz hat, so läge ein Zustellungsfehler vor. In einem solchen Fall besteht die Möglichkeit zur Durchbrechung der Rechtskraft eines Strafbefehls durch die Wiedereinsetzung des Verfahrens in den vorigen Stand gemäß §§ 44 ff. StPO.
Aus dem Wortlaut des § 44 StPO:
„War jemand ohne Verschulden verhindert, eine Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Versäumung einer Rechtsmittelfrist ist als unverschuldet anzusehen, wenn die Belehrung nach den § 35a Satz 1 und 2, § 319 Abs. 2 Satz 3 oder nach § 346 Abs. 2 Satz 3 unterblieben ist.“[1]
Ein weiteres Beispiel für ein unverschuldetes Versäumen der Frist könnte auch ein Krankenhausaufenthalt oder längerer Urlaub sein, es kommt jedoch auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Der Antrag untersteht gemäß § 45 Abs. 1 StPO einer einwöchigen Frist, die ab dem Wegfall des Hindernisses, also beispielsweise dem Krankenhausaufenthalt, zu laufen beginnt. Bei der Antragsstellung auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand muss der Betroffene die Tatsachen zur Begründung des Antrags glaubhaft machen. Wird dem Antrag stattgegeben, so hat der Adressat des Strafbefehls erneut zwei Wochen Zeit, um gegen diesen Einspruch zu erheben.
Wiederaufnahme des Verfahrens
Auch die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 359 StPO ist ein denkbarer Weg, um die Rechtskraft zu umgehen, sollte weder ein Zustellungsfehler vorgefallen oder die Wiedereinsetzung unmöglich sein.
§ 359 StPO enthält einen Katalog über verschiedene Gründe zur Wiederaufnahme eines Verfahrens, wobei der in der Praxis relevanteste § 359 Nr. 5 StPO ist, nach welchem die Wiederaufnahme aufgrund des Vorliegens neuer Tatsachen und Beweismittel zulässig ist.
Da es sich bei Strafbefehlen in den meisten Fällen um ein rasch fortschreitendes Verfahren handelt, kann es gerade mittels § 359 Nr. 5 StPO gelingen, neue Beweise einzubringen und so die Wiederaufnahme zu erwirken.
Der Antrag auf Wiederaufnahme des Angeklagten muss gemäß § 366 Abs. 2 StPO mittels eines von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schreibens oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erhoben werden. Wird dem Antrag auf Wiederaufnahme stattgegeben, so wird eine erneute Hauptverhandlung angeordnet.
Die Wiederaufnahme des Verfahrens ist wie der Einspruch kein garantierter Freispruch. Im Unterschied zum Einspruch gilt jedoch hier gemäß § 373 Abs. 2 S. 1 StPO, dass der Angeklagte nach der erneuten Hauptverhandlung im Vergleich zum vorherigen Urteil nicht schlechter gestellt werden darf, wenn der Antrag auf Wiederaufnahme lediglich zu seinen Gunsten gestellt wurde.
Gnadengesuch
Es kann auch versucht werden, die Folgen der Rechtskraft mit einem Gnadengesuch zu beseitigen, welches aber in nur seltenen und überaus außergewöhnlichen Fällen Erfolg haben wird. Ziel eines Gnadengesuchs ist, trotz Rechtskraft, der teilweise oder vollständige Straferlass beziehungsweise die Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung.
Fazit
Die Chancen gegen einen rechtskräftigen Strafbefehl erfolgreich vorzugehen, sind in den meisten Fällen verschwindend gering. Bei dem Erhalt eines Strafbefehls gilt es vor allem Ruhe zu bewahren, nicht aber untätig zu bleiben. Gerade hinsichtlich der kurzen Einspruchsfrist von zwei Wochen sollte umgehend ein Anwalt kontaktiert und Einspruch eingelegt werden.
Bei der Einlegung des Einspruchs gegen einen Strafbefehl sollte jedoch auch immer bedacht werden, dass das Gericht mangels Bindung an den ursprünglichen Strafbefehl nach der dann erfolgten Hauptverhandlung auch eine höhere Strafe ansetzen kann.
Folglich ist anwaltlicher Beistand durch einen Strafverteidiger in einem solchen Fall unerlässlich, um die verbleibenden Möglichkeiten ordnungsgemäß auszuschöpfen.
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Titelbild: Pexels.com (@Sora Shimazaki)