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Betrug nach § 263 StGB – Täuschungshandlung

Täuschungshandlung beim Betrug nach § 263 StGB

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte im Jahre 2018 mit einem interessanten Fall zu tun, der die Fallkonstellation rund um ein Bestattungsunternehmen, dessen Absprachen mit einem Krematorium und den Vorwurf 265 angeblicher Fälle von Betrug behandelte. Mit dem Urteil vom 24.10.2018 (Az: 5 StR 477/17) hob der BGH das vorangegangene Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 09.06.2017 auf.

Der Tenor des Urteils des BGH lautete:

„1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 9. Juni 2017 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorgenannte Urteil im Strafspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

(BGH, Urteil vom 24.10.2018 – 5 StR 477/17[1])

Zum Sachverhalt

Die Angeklagte betrieb ein Bestattungsunternehmen, mit welchem sie im September 2008 mit einem Krematorium eine Einigung über eine Einäscherungspauschale erreichte. Die Pauschale belief sich auf eine Höhe von € 265,37 pro Einäscherung, wobei sich € 75 davon auf die Lieferung eines sogenannten Rohsarges bezogen, welcher bei den Einäscherungen verwendet wurde.

Die Angeklagte wurde von dem Landgericht Braunschweig des Betruges in 265 Fällen schuldig gesprochen, nachdem sich herausstellte, dass sie in 265 Fällen Verträge über Feuerbestattungen mit Angehörigen geschlossen hatte, wobei als gesonderte Leistung die Bereitstellung eines Sarges (435-595 €) durch das Bestattungsunternehmen berechnet wurde. Die Angeklagte verschwieg laut dem Landgericht Braunschweig, dass in der Einäscherungspauschale bereits € 75 für einen Sarg enthalten waren. Demnach bezahlten die Angehörigen in 265 Fällen € 75 mehr an das Krematorium als eigentlich geschuldet.

Gegen dieses Urteil richtete sich sowohl die Revision der Angeklagten als auch die der Staatsanwaltschaft.

I.

Der BGH entschied, dass im vorliegenden Fall nach den derzeitigen Feststellungen des Landgerichts keine (konkludente) Täuschung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB vorläge. Er erläuterte, dass das Landgericht es unterlassen habe, den Vertrag zwischen den Angehörigen und dem Krematorium näher auszulegen. Laut BGH führe eine solche Auslegung zu dem Ergebnis, dass die Vorstellung der Angehörigen nur die Einäscherung und nicht die Lieferung eines Sarges umfasse. Ob seitens des Krematoriums tatsächlich die Lieferung Teil der Annahme des Vertrages wurde oder ob die Aufführung der Kosten des Sarges in der Pauschale lediglich zur internen Kostenkalkulation diente, konnte nicht geklärt werden.

Weiterhin lehnte der BGH eine (konkludente) Täuschung aufgrund der Vorspiegelung über das fehlende Bestehen einer Rückvergütungsvereinbarung ab. Hier mangele es an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass die Angeklagte tatsächlich durch ihr Verhalten diesen Irrtum bei den Angehörigen hervorgerufen habe. Der BGH befasste sich auch mit der Frage, ob die Angeklagte gegenüber den Angehörigen eine Garantenstellung mit damit verbundenen Pflichten gehabt habe, wie auch mit der Frage, ob sie die Angehörigen darüber getäuscht habe, dass die Verstorbenen in den Särgen des Krematoriums und nicht in den von ihr verkauften Särgen eingeäschert wurden. Diese Fragen und Ansätze mussten allerdings aufgrund fehlender Feststellungen auf Seiten des LG Braunschweigs zurückgestellt werden.

II.

Das Landgericht lehnte hingegen eine Strafbarkeit wegen gewerbsmäßigen Betruges gemäß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB ab. Der BGH entgegnete dem, dass in der vorliegenden Konstellation teilweise eine Mittelbarkeit der Betrugshandlung anzunehmen sei, da die Angeklagte zwar nicht alle 265 Gespräche selbst geführt habe, aber jedenfalls durch die Handlungen ihrer Mitarbeiter mittelbar an dem daraus resultierenden betrügerischen Vorteil, der doppelten Berechnung der Särge, bereichert worden sei.

Der BGH hielt fest, dass „die Angeklagte mittelbar von ihren fremdnützigen Betrugstaten [profitierte].“[2]

Das Landgericht habe zu Unrecht mit hilfsweise ausgeführten Gesichtspunkten von der Regelwirkung des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 StGB abgesehen und sowohl den Gesamtschaden von knapp 20.000,00 EUR als auch die Dauer der Tatserie von mehr als 2 Jahren nicht erkennbar berücksichtigt.

III.

Der BGH verwies schlussendlich auf eine neue Hauptverhandlung der Sache. Einzelstrafen waren aufzuheben, was die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich zog.

Allgemein

Objektive Tatbestandsmerkmale des Betruges sind die Täuschung des Täters über Tatsachen, die zu einem kausalen Irrtum auf Seiten des Getäuschtenführen muss, so dass es basierend darauf zu einer Vermögensverfügung und damit letztlich zu einem Vermögensschaden kommt.

Der Betrug als Vermögensverschiebungsdelikt, beispielsweise durch herbeigeführte einvernehmlichen Gewahrsamswechsel, stellt daher ein Selbstschädigungsdelikt dar.

Das erste Tatbestandsmerkmal -die Täuschung- kann dabei nach herrschender Meinung[3] sowohl durch aktives Tun als auch durch Unterlassen verwirklicht werden, wenn der Täter die mögliche Aufklärung des Opfers unterlässt und eine Garantenpflicht zur Aufklärung besteht.

Im oben genannten Urteil führte gerade die Frage der Garantenstellung und der korrespondierenden Aufklärungspflicht zu dem Ergebnis, dass sich die Angeklagte bezüglich der Rückvergütungsvereinbarung nicht des Betruges strafbar gemacht hat. Der BGH brachte hierzu vor, dass die Beurteilung gerade an den fehlenden Feststellungen des Landgerichts Braunschweig zu der Thematik scheiterte.

Die Aufklärungspflicht bezieht sich auf das Mitteilen von jenen Informationen, die die, durch die Täuschung hervorgebrachte, Fehlvorstellung über den Sachverhalt auf Seiten des Opfers richtigstellen. Voraussetzung ist hierfür, dass der Täter gemäß § 13 StGB eine Garantenstellung und demnach Rechtspflicht zum Tätigwerden innehat.[4]

Eine Garantenstellung kann sich aus vier verschiedenen Konstellationen ergeben:

  1. Aus Ingerenz,[5]
  2. Aus Vertrag,[6]
  3. Aus Gesetz[7] oder
  4. Aus Treu und Glauben.[8]

Ingerenz beschreibt den Fall, dass der Täter durch Fehlinformationen die Gefahr geschaffen hat, dass sich bei dem Opfer ein Irrtum einstellt. Dieser Gesichtspunkt umfasst auch solche Fälle, bei denen der Täter zunächst ohne Vorsatz den Irrtum hervorgerufen hat, es aber bei späterer Kenntnis der Fehlinformation unterlässt, das Opfer aufzuklären.[9]

Die Garantenpflicht aus vertraglichen Verhältnissen ist streng zu beurteilen. So sind beispielsweise Bargeschäfte des täglichen Lebens nicht Grundlage einer Garanten- und Aufklärungspflicht. Anders liegt es bei solchen Verträgen, bei denen dem Täter eine Beratungsposition und demnach ein besonderes Vertrauen auf Richtigkeit seiner Aussagen dem Opfer gegenüber zukommt.[10]

Beispiele der gesetzlich normierten Garantenpflicht sind die Auskunftspflicht des Beauftragten gemäß § 666 BGB[11] oder die Auskunftspflicht für den Bezug von Sozialleistungen gemäß § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB I.[12]

Auch Treu und Glauben kann eine Pflicht begründen, sollte zwischen den Parteien ein besonderes Vertrauensverhältnis bestehen. Diese Möglichkeit kommt allerdings nur in den seltensten Fällen in Betracht.[13]

Kann auf Täterseite das Vorliegen einer Garantenpflicht und das Unterlassen der Richtigstellung von Fehlinformationen festgestellt werden, so liegt eine Täuschung durch Unterlassen vor. Im Falle des Zutreffens der übrigen Tatbestandsmerkmale ist eine Strafbarkeit wegen Betruges gemäß § 263 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB zu bejahen.


[1] Urteil des 5. Strafsenats vom 24.10.2018 – 5 StR 477/17 – (bundesgerichtshof.de)

[2] BGH, Urteil vom 24.10.2018 – 5 StR 477/17

[3] BGH 59, 323; BGHSt 6, 198; 39, 392 (398); BayObLG NJW 1987, 1652.

[4] Schönke/Schröder/Perron, 30. Aufl. 2023, StGB § 263 Rn. 19.

[5] BGH GA 1977, 18; OLG Stuttgart NJW 1969, 1975.

[6] BGH NJW 2001, 453; NStZ 2010, 502.

[7] Schönke/Schröder/Perron, 30. Aufl. 2023, StGB § 263 Rn. 21.

[8] RGSt 70, 151 (155); BGHSt 6, 198 (199); OLG Stuttgart NJW 1966. 990 f.

[9] NK-StGB/Kindhäuser/Hoven, 6. Aufl. 2023, StGB § 263 Rn. 155.

[10] BGH NJW 1994, 950.

[11] Schönke/Schröder/Perron, 30. Aufl. 2023, StGB § 263 Rn. 21 f.

[12] Vgl. OLG Köln NStZ-RR 2010, 79; BeckOK StGB/Beukelmann, 58. Ed. 1.8.23, StGB § 263 Rn. 22.

[13] Vgl. RGSt 70, 151; BGH NJW 1954, 1414

Beitragsbild: Pavel Danilyuk (@pavel-danilyuk) / pexels.com

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Anwalt für Medizinrecht, Arbeitsrecht, Miet- und WEG-Recht aus Hannover

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Studium der Rechtswissenschaften und Wissenschaftliche Mitarbeiterin an dem Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Immaterialgüterrecht und IT-Recht an der Leibniz Universität Hannover