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Der Fall Gil Ofarim – Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO

Das Landgericht Leipzig stellte – mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft – mit dem Beschluss vom 28.11.2023 (Az: 6 KLs 607 Js 56883/21) das Strafverfahren gegen den Musiker Gil Ofarim ein. Die Staatsanwaltschaft warf ihm eine Strafbarkeit wegen falscher Verdächtigung (§ 164 Abs. 1 StGB) in zwei Fällen vor, eine davon verbunden mit einer Verleumdung (§ 187 StGB). Außerdem wurde ihm eine Strafbarkeit wegen falscher Versicherung an Eides statt (§ 156 StGB), die Strafbarkeit wegen Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB) und die Strafbarkeit wegen des versuchten Betruges (§§ 263 Abs.1, Abs. 2, 22 StGB) vorgeworfen.

Hintergrund der Anklage war der im Jahre 2021 erhobene Vorwurf von Ofarim, in einem Leipziger Hotel mit antisemitischen Äußerungen konfrontiert worden zu sein, was die Leipziger Staatsanwaltschaft allerdings nicht überzeugte. Diese erhob schließlich gegen Ofarim selbst Anklage wegen der vorbezeichneten Delikte. Grund für die schlussendliche Einstellung des Verfahrens war das Geständnis des Angeklagten, dass die vorgeworfenen antisemitischen Äußerungen von Seiten des Hotelpersonals nie getätigt worden seien und die Vorwürfe gegen ihn folglich zuträfen.

Die Einstellung eines Strafverfahrens kann nach verschiedenen Möglichkeiten erfolgen, § 153a StPO[1] ist einer der fünf häufigsten Einstellungsmöglichkeiten und auch der, nach dem das Landgericht Leipzig im Prozess gegen Ofarim einstellte.

Die Voraussetzungen für die Einstellung des Verfahrens gemäß § 153a StPO sind das Vorliegen eines Vergehens, die Möglichkeit das öffentliche Interesse durch eine Auflage oder Weisung zu beseitigen und dass die Schwere der Schuld dem nicht entgegensteht.

Ein Vergehen liegt gemäß § 12 Abs. 2 StGB vor, wenn eine rechtswidrige Tat mit einem Mindestmaß einer geringen Freiheitsstrafe (bis zu einem Jahr) oder einer Geldstrafe bedroht wird. Das öffentliche Interesse bemisst sich stets am Einzelfall und eröffnet einen gewissen Ermessensspielraum.[2] Es bezieht sich darauf, dass der Angeklagte durch die Auflage oder Weisung das mit der Strafe verfolgte Ziel erreicht und ein weiteres Vorgehen gegen ihn somit nicht nötig ist. Die Auflage oder Weisung muss außerdem „nur“ geeignet sein, das öffentliche Interesse auszuräumen, es bedarf nicht des tatsächlichen Erlöschens jeglichen Interesses an der Strafverfolgung – dies wäre auch kaum zu erreichen.

Weiterhin darf die Schwere der Schuld der Einstellung nicht entgegenstehen. Die Schuld bemisst sich grundsätzlich nach § 46 Abs. 2 StGB. Im Rahmen von § 153a StPO kommt es nach der Berücksichtigung des Gesamtumstände darauf an, dass sich der Umfang des Verschuldens nicht besonders abhebt, mithin, dass keine schwere oder besondere Schwere der Schuld vorliegt.

§ 153a StPO bestimmt acht mögliche Auflagen und Weisungen, die keine abschließende Aufzählung darstellen:

„(1) […] Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,

  1. Zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen,
  2. Einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen,
  3. Sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen,
  4. Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen,
  5. Sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben,
  6. An einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen,
  7. An einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a Straßenverkehrsgesetz teilzunehmen oder
  8. Sich psychiatrisch, psycho- oder sozialtherapeutisch betreuen und behandeln zu lassen (Therapieanweisung). […]“.

(Auszug aus dem Gesetzeswortlaut von § 153a Abs. 1 StPO)

Bei den Nummern 1 bis 3, 5 und 7 beträgt die Frist zur Erfüllung sechs Monate, bei den Nummern 4, 6 und 8 beträgt die Frist höchstens ein Jahr.

Im Verfahren gegen Ofarim erfolgte die vorläufige Einstellung des Verfahrens gemäß § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO gegen eine Zahlung von 10.000 €. Außerdem muss er dem betroffenen Hotelmitarbeiter – der im Verfahren als Nebenkläger auftrat – ein Schmerzensgeld in unbekannter Höhe entrichten. Bezüglich der Begleichung sämtlicher Verfahrenskosten, die dem richterlichen Ermessen unterliegt, wurde noch keine Entscheidung getroffen – diese können demnach noch zusätzlich auf Ofarim zukommen. Sobald er die Auflage in Höhe von 10.000 € bezahlt hat, wird das Verfahren endgültig eingestellt. Ofarim gilt dann auch nicht vorbestraft.

Ein wichtiger Bezugspunkt für die Einstellung des Verfahrens war, dass der Angeklagte sich entschuldigt und der betroffene Hotelmitarbeiter die Entschuldigung von Ofarim angenommen hat. Der Vorsitzende Richter Andreas Stadler fand folgende Schlussworte:

Eine Entschuldigung ist wertvoll. Ein Urteil ist anfechtbar. Eine Entschuldigung ist es nicht.“

(Vorsitzender Richter am Landgericht Leipzig Andreas Stadler[3])

Unter Berücksichtigung der Anklage, der Dauer und der Intensität des Verfahrens haben die Verteidiger rund um den Münchener Strafverteidiger Alexander Stevens eine gute Strategie begründet und eine gute Verteidigung geführt. Die Verteidigung mit dem Ziel der Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO ist für den angeklagten Mandanten häufig eine sicherere Lösung mit kalkulierbarem Ausgang des Strafverfahrens als ein unkalkulierbarer Freispruch.

Auch wenn das Ziel einer Verteidigung der Freispruch ist, kann die Einstellung des Verfahrens auch eine erfolgreiche, alternative Verteidigungsstrategie sein.


[1] § 153a StPO – Einzelnorm (gesetze-im-internet.de)

[2] Siehe auch: LG Frankfurt, Beschluss vom 06.11.1996 – 5/29 KLs 65 Js 8793/84.

[3] Laut Geständnis im Ofarim-Prozess: Richter findet klare Worte (fnp.de)

Beitragsbild: Marten Bjork (@martenbjork) / unsplash.com

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Anwalt für Medizinrecht, Arbeitsrecht, Miet- und WEG-Recht aus Hannover

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Master of Laws (LL.M.) (Medizinrecht)

Justiziarin in der Rechtsabteilung der Medizinischen Hochschule Hannover

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Studium der Rechtswissenschaften und Wissenschaftliche Mitarbeiterin an dem Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Immaterialgüterrecht und IT-Recht an der Leibniz Universität Hannover