BGH Urteil vom 07.05.2019: „Der Griff in die Kasse“ – Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers gegenüber Gesellschaftern und Gläubigern
Der Anspruch auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB setzt bei mittelbaren Schädigungen voraus, dass dem Schädiger das Unrechtsbewusstsein und Unwerturteil, sittenwidrig zu handeln auch in Bezug auf die Schäden trifft, wegen derer Geschädigte Ansprüche aus § 826 BGB geltend machen, so entschieden die Bundesrichter in ihrem Urteil (BGH, Urteil vom 07.05.2019 – VI ZR 512/17). In dem Urteil führt der BGH aus, dass die Verpflichtung eines GmbH-Geschäftsführers aus § 43 Abs. 3 GmbhG, dafür zu sorgen, dass die Gesellschaft sich rechtmäßig verhalte und gesetzlichen Pflichten nachkomme, grundsätzlich nur gegenüber der Gesellschaft selbst bestehe. Ein solches Verhältnis gegenüber Außenstehenden und Dritten existiere daher nicht.
Der Sachverhalt
Der Geschäftsführer einer GmbH, die ihrerseits eine Mühle betreibt, hatte von einem landwirtschaftlichen Unternehmen Weizen bezogen. Die Ware wurde eingelagert und stückweise zu bestimmten Zeitpunkten zum tagesaktuellen Preis verkauft. Die Erlöse dafür gingen auf das Konto der GmbH. Die Landwirte kauften im Gegenzug von der GmbH ebenfalls Güter wie Saatgut, Dünger und Weiteres.
Kontokorrent zur Verrechnung
Zwischen der GmbH und den Landwirten bestand eine Kontokorrentenabrede (eine im Rahmen einer dauernden Geschäftsverbindung vereinbarte, periodische Abrechnungsweise, wobei beiderseitige Leistungen laufend gegengerechnet werden). Die Auszahlung der Differenzsummen von der GmbH an das andere Unternehmen erfolgten stets im Jahresturnus.
Keine Zahlungen erfolgten
Diesmal blieb die Zahlung aus. Stattdessen reichte der Geschäftsführer einen Insolvenzantrag für die Gesellschaft. Dieser wurde später mangels Masse abgewiesen.
Hintergrund: Der Geschäftsführer entnahm mehreren hunderttausend Euro aus dem Gesellschaftsvermögen der GmbH und nutzte diese für eigene, betriebsfremde Zwecke.
Das landwirtschaftliche Unternehmen forderte die Haftung des Geschäftsführers wegen Insolvenzverschleppung, Betruges sowie Verletzung der Pflichten eines Geschäftsführers über § 826 BGB.
Verpflichtungen des Geschäftsführers nur gegenüber Gesellschaft
Aus der Stellung als Geschäftsführer ergebe sich zwar eine Treuepflicht und eine Verpflichtung, dafür Sorge zu tragen, dass die Gesellschaft sich rechtmäßig verhalte; ob dies aber auch für privatvertragliche Verpflichtungen des GmbH gilt, ist umstritten. Dies kann offen bleiben, da eine derartige Pflicht grundsätzlich nur gegenüber der Gesellschaft besteht, nicht hingegen im Verhältnis zu außenstehenden Dritten, urteilte der BGH (Urt. v. 10.07.2012 – VI ZR 341/10, BGHZ 194, 26 Rn. 26 f.; ferner BGH, Urt. v. 18.06.2014 – I ZR 242/12, BGHZ 201, 344 Rn. 23– Geschäftsführerhaftung)..
Vertragliche Pflichten nur zwischen Leistungspartnern
Nur den Vertragspartnern erwachsen aus vertraglichen Beziehungen Pflichten, nicht hingegen Dritten. Das gilt auch für den GmbH-Geschäftsführer, wenn es um schuldrechtliche Beziehungen der von ihm vertretenen GmbH geht, sodass der Geschäftsführer deshalb grundsätzlich nicht persönlich aus den für die GmbH geschlossenen Verträgen verpflichtet wird.
Besondere Verwerflichkeit auf Schädigungen Dritter fehlt
§ 826 BGB setzt eine vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung voraus. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und dadurch einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit des Verhaltens hinzukommen, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetreten Folgen ergeben kann.
Vor allem bei mittelbaren Schädigungen sei es entscheidend, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht, führten die Karlsruher Richter aus.
Ausnahmen
Ausnahmen von diesem Grundsatz, so führt der BGH weiter aus, können sich im Rahmen des § 311 Abs. 3 BGB ergeben oder dann gelten, wenn der Geschäftsführer im primär für die GmbH abgeschlossenen Vertrag auch persönliche Pflichten übernommen hat, d.h. im eigenen Namen gehandelt hat und damit selbst Vertragspartner geworden ist.