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Gemeinschaftliche Sachbeschädigung – Klimaaktivisten

Das Kammergericht Berlin entschied in dem Beschluss vom 03.11.2023 (Az.: 3 ORs 72/23 – 161 Ss 167/23) über eine gemeinschaftliche Sachbeschädigung, die im Rahmen eines Protests der Organisation „Letzte Generation“ erfolgte. Entscheidend waren hier vor allem die Beurteilungen des Kammergerichts bezüglich des Vorsatzes der Angeklagten.

Der Leitsatz des Beschlusses des Kammergerichts Berlin lautete:

1. Da eine Sachbeschädigung ausscheidet, wenn die Beseitigung der Substanzverletzung oder Funktionseinbuße mit keinem ins Gewicht fallenden Aufwand verbunden ist, muss der Täter es zumindest für möglich gehalten haben, dass deren Beseitigung einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert. Demjenigen, der sich bei Begehung der Tat (§ 16 StGB) über den Beseitigungsaufwand keinerlei Gedanken gemacht hat, fehlt das zur Bejahung des Vorsatzes erforderliche Wissenselement.

2. Entsprechende Feststellungen im Urteil sind nur dann entbehrlich, wenn der Tatvorsatz angesichts des Umfangs der Substanzverletzung oder der Funktionsbeeinträchtigung auf der Hand liegt.

[KG Berlin, Beschluss vom 03.11.2023 – ORs 72/23 – 161 Ss 167/23][1]

Zum Sachverhalt:

Dem Beschluss lag das Urteil des Landgerichts Berlin zugrunde, welches sich mit der Strafbarkeit einer Klimaaktivistin befasste. Die Angeklagte hatte mit einigen Mittätern zuvor im Rahmen eines Protests am 22.06.2022 vor dem Bundeskanzleramt eine Gehwegplatte entfernt und sie auf ein nahegelegenes Rasenstück gelegt.

Das Amtsgericht Tiergarten, dem der Fall zunächst vorlag, und das Landgericht Berlin, bei dem die Angeklagte Berufung einlegte, gingen von einer vorsätzlichen Sachbeschädigung aus und unterstellten der Angeklagten zumindest bedingten Vorsatz bezüglich des zur Wiedereinsetzung der Gehwegplatte benötigten Aufwandes. Die Angeklagte erhob sodann gegen das Urteil des Landgerichts Berlin eine Sach- und Verfahrensrüge.

I.

Das Kammergericht Berlin erörterte, dass ein bedingter Vorsatz, beziehungsweise der Eventualvorsatz, dann vorliegt, wenn ein Angeklagter „[…] den Eintritt eines zum Tatbestand gehörenden Erfolges als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkannt hat (Wissenselement) und dies billigt oder sich mit dem Eintritt des Erfolgs abfindet (Willenselement) […].“.[2] Zudem stellte das Kammergericht fest, dass ein bezüglich des Tatbestandserfolges irrender Angeklagter nicht des Vorsatzes bezichtigt werden kann, was ebenfalls der Fall ist, wenn der Angeklagte sich keine Gedanken über den Erfolg gemacht hat. Hiermit bezog sich das Kammergericht auf den sogenannten Tatbestandsirrtum gemäß § 16 Abs. 1 StGB.

Des Weiteren befasste sich das Kammergericht mit der Sachbeschädigung und erwog, dass die Beseitigung der Substanzverletzung oder Funktionseinbuße mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden sein muss, damit die Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB erfüllt ist. Dies stellte sich in dem vorliegenden Fall als problematisch heraus, da die Angeklagte sich über die Folgen keine Gedanken gemacht hatte (hiervon musste man zumindest bis jetzt mangels gegenteiliger Beweise oder Erwägungen der Vorinstanzen ausgehen). Da in diesem Fall das Ausmaß der Beseitigung der Substanzverletzung nicht deutlich war, hätten die Vorinstanzen laut dem Kammergericht Berlin einschlägige Erwägungen bezüglich des Vorsatzes der Angeklagten treffen müssen.

II.

Das Kammergericht hob das Urteil des Landgerichts Berlin aufgrund der erfolgreichen Sachrüge auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück an eine Strafkammer.

Allgemein

Neben dem objektiven Tatbestand, bei dem die unterschiedlichen Merkmale des Straftatbestandes geprüft werden, wie beispielsweise die Gesundheitsschädigung bei der Körperverletzung gemäß § 223 StGB, wird im subjektiven Tatbestand der Vorsatz oder die Fahrlässigkeit geprüft. Der subjektive Tatbestand ist dabei ein essenzieller Teil der Strafbarkeit.

Kann der Vorsatz nicht festgestellt werden, so ist höchstens auf eine Strafbarkeit aufgrund von Fahrlässigkeit abzustellen, sofern dies möglich und gegeben ist, § 15 StGB. Wird die Fahrlässigkeit ebenfalls verneint, so scheidet eine Strafbarkeit aus.

Im Allgemeinen versteht man unter Vorsatz das „Wissen und Wollen der zum gesetzlichen Tatbestand gehörenden Merkmale[3].

Unterschieden wird zwischen drei Arten des Vorsatzes:

  1. Dolus directus 1. Grades: dem Täter kommt es gerade auf den Eintritt des Erfolges an
  2. Dolus directus 2. Grades: der Täter weiß sicher, dass der Erfolg eintreten wird.
  3. Dolus eventualis: der Täter erkennt die Möglichkeit des Erfolgseintritts und nimmt diesen billigend in Kauf.

Welche der drei Arten des Vorsatzes vorliegt, ist tatsächlich weniger relevant, da sie im Ergebnis gleichwertig sind. Der Unterschied zwischen Dolus directus 1. und 2. Grades liegt in der jeweiligen Ausprägung des Wissens- oder Willenselements.

Der Dolus eventualis hingegen ist eine spezielle Form des Vorsatzes und darf nicht mit der bewussten Fahrlässigkeit verwechselt werden. Die Rechtsprechung folgt dem Ansatz, dass der bedingte Vorsatz dann vorliegt, wenn der Täter den Erfolg als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und diesen auch billigend in Kauf nimmt.[4] Unter bewusster Fahrlässigkeit versteht man das Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt in der Form, dass der Täter zwar die Möglichkeit des Erfolgseintrittes erkennt, jedoch darauf vertraut, dass sich dieser nicht verwirklichen wird.[5] Die Abgrenzung erfolgt hier an den oben genannten Elementen des Vorsatzes, dem Wissens- und dem Willenselement – hat der Täter den Eintritt des Erfolges für möglich gehalten (Wissenelement) und nimmt dies billigend in Kauf (Willenselement), so liegt der dolus eventualis vor. Können diese Elemente nicht festgestellt werden, handelt es sich gegebenenfalls um die bewusste Fahrlässigkeit.

Weiterhin muss der Vorsatz bei der Begehung der Tat vorliegen. Es genügt demnach nicht, wenn bei dem Täter erst nach Begehung der Tat oder nach der Handlung, die kausal zum Erfolg führt, der Vorsatz festgestellt wird.


[1] VIS Berlin – 3 ORs 72/23 – 161 Ss 167/23 3 ORs 72/23 | KG Berlin 3. Strafsenat | Beschluss | Erforderliche Feststellungen zur (gemeinschädlichen) Sachbeschädigung

[2] KG Berlin, Beschluss v. 03.11.2023 – 3 ORs 72/23 – 161 Ss 167/23 Rn. 6.

[3] Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schuster StGB, § 15 Rn. 9.

[4] Vgl. BGH NStZ 1981, 23; BGH NStZ-RR 2008, 239.

[5] Vgl. Lackner/Kühl/Heger StGB, 30. Aufl. 2023 § 15 Rn. 35.

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