Unter der Karenzentschädigung, oder auch der sogenannten Konkurrenzklausel, wird eine solche Entschädigung beschrieben, die ein Unternehmen einem ausgeschiedenen Gesellschafter nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu zahlen hat, wenn ein nachträgliches Wettbewerbsverbot besteht. Die gesetzliche Grundlage der Karenzentschädigung bilden §§ 74-75f HGB sowie § 110 GewO.
Mit Urteil vom 20. Januar 2015 (Az.: II ZR 369/13[1]) bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH) seine bisherige Rechtsprechung bezüglich der Karenzentschädigung bei GmbH-Geschäftsführern und bezog sich dabei vorwiegend auf die angemessene Dauer eines Wettbewerbsverbots.
Der Leitsatz des Urteils des Bundesgerichtshofes lautet:
„Kundenschutzklauseln, die zwischen einer GmbH und einem ihrer Gesellschafter anlässlich des Ausscheidens aus der Gesellschaft vereinbart werden, sind nichtig, wenn sie in zeitlicher Hinsicht das notwendige Maß übersteigen, das in der Regel zwei Jahre beträgt.“
Zum Sachverhalt:
Der zugrundeliegende Sachverhalt spielte sich zwischen der Beklagten, einer im Jahr 2001 durch die Geschäftsführer der Parteien gegründeten GmbH, und der Klägerin ab, einer GmbH, die die Anteile der Beklagten aus deren Niederlassung in der Stadt H. erhielt. Diese Niederlassung der Beklagten wurde zunächst durch den jetzigen Geschäftsführer der Klägerin betreut, der im Jahr 2006 seine Anteile an der Beklagten im Zuge seines Ausscheidens an die Klägerin verkaufte.
Nach dem Ausscheiden des Geschäftsführers bei der Beklagten einigten sich die Parteien in dem Auseinandersetzungsvertrag vom 29. September 2006 darüber, bestimmte Kundenverträge der Beklagten der Niederlassung in der Stadt H. auf die Klägerin zu übertragen. Hierfür wurde ein bestimmter Kundenkreis definiert, zu dem die Beklagte innerhalb der nächsten fünf Jahren keinen Kontakt im Zuge eines Angebots oder eines Abschlusses sonstiger Geschäfte aufnehmen sollte. Für jeden Verstoß war eine Vertragsstrafe von 50.000 € vorgesehen.
Kurz bevor die Fünf-Jahres-Frist ablief, wurde bei der Beklagten ein neuer Mitarbeiter eingestellt, der sodann zwei E-Mails und eine Rundmail an den oben bezeichneten „verbotenen“ Kundenkreis übersandte, in denen er die Leistungen der Beklagten anbot und damit gegen die Vereinbarungen aus dem Auseinandersetzungsvertrag verstieß.
Erstinstanzlich verurteilte das Landgericht, entsprechend der von der Klägerin eingelegten Klage, die Beklagte zu einer Bezahlung von 5.107,50 €. Auf die darauffolgende Berufung der Klägerin änderte das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts ab und verurteilte die Beklagte zu einer Zahlung von 100.007,50 €. Die gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg eingelegte Anschlussberufung sowie die weitergehende Berufung der Beklagten wurden zurückgewiesen.
Die Beklagte legte hiergegen zulässigerweise Revision ein.
I.
Das Berufungsgericht kam zu dem Schluss, dass der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung von je 50.000 € Vertragsstrafe wegen den beiden E-Mails und ein Anspruch auf Zahlung von 1.000 € wegen der Rundmail zustünde; die Handlungen des Mitarbeiters müsse sich die Beklagte zurechnen lassen.
Zudem erkannte das Berufungsgericht weder einen Wegfall der Geschäftsgrundlage noch einen Wegfall des Sicherungsinteresses an, weil diese Punkte erstmals in der Berufungserwiderung vorgebracht wurden und demnach gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht als Beweis gewürdigt werden konnten.
Der Argumentation der Beklagten, die Vertragsstrafe wäre hinsichtlich des kurz bevorstehenden Ablaufs der Fünf-Jahres-Frist herabzusetzen, hielt das Berufungsgericht entgegen, dass das Bevorstehen des Ablaufs der Frist kein Grund zur Kürzung einer zuvor vereinbarten Vertragsstrafe sei. Auch die Ausführungen der Beklagten über eine verfehlte Abschreckungswirkung trugen keine Früchte. Vielmehr sah das Berufungsgericht den Zweck der vertraglich vereinbarten Vertragsstrafe nicht nur in einer Abschreckung, sondern auch in einer „[…] nachträglichen Sanktionierung für ein vorheriges Fehlverhalten der Beklagten.“[2]
II.
Der BGH kam zu der Feststellung, dass das Urteil des Berufungsgerichts einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht standhalten könne.
1.
Besonders sei hier zu berücksichtigen, dass ein Wettbewerbsverbot unmittelbare Auswirkungen auf die Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 GG habe, weswegen die Vereinbarung zur Wirksamkeit eines Wettbewerbsverbots zum einen wegen § 138 BGB sittenwidrig sei und zum anderen auch nur implementiert werden dürfe, wenn ein illoyales Verhalten des Vertragspartners nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ernsthaft zu erwarten sei. Laut BGH sind Wettbewerbsverbote nur wirksam, wenn „[…] sie in räumlicher, gegenständlicher und zeitlicher Hinsicht das notwendige Maß nicht überschreiten.“[3]
2.
Kritik am Berufungsurteil entfaltete sich für den BGH vor allem bezüglich der Länge des im Auseinandersetzungsvertrag festgelegten Wettbewerbsverbots von fünf Jahren.Dies sei nach dessen Ansicht eine deutliche Überschreitung des für den Schutz des Geschäftsführers der Klägerin notwendigen Maßes.
Laut BGH verfolgte das Abwerbeverbot primär den Zweck, dem ausgeschiedenen Geschäftsführer die Möglichkeit einzuräumen, frühere Kunden mitzunehmen, ohne dass dieser eine Beeinträchtigung durch die Beklagte zu befürchten hatte. Diesbezüglich hatte er ein schutzwürdiges Interesse daran, nicht mit der Beklagten in Konkurrenz zu treten, was durch das Wettbewerbsverbot und den abgegrenzten Kundenstamm gesichert werden sollte. Der BGH verneinte beidseitig ein schutzwürdiges Interesse am Festhalten an dem Wettbewerbsverbot ab dem Moment, ab dem die Beklagte keinen Kontakt mehr zu den von der Klägerin übernommenen Kunden haben würde.
Im konkreten Bezug zur ständigen Rechtsprechung des BGH führte dieser aus, dass ein Wettbewerbsverbot im Zuge der Beeinträchtigung der Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht länger als zwei Jahre andauern dürfe und dass dieses Maß mit der Fünf-Jahres-Frist erheblich überschritten wurde.
Im Ergebnis sei dementsprechend die hier vorgesehene Dauer des Wettbewerbsverbots gemäß § 138 BGB sittenwidrig und somit nichtig.
3.
Letztlich stellte der BGH demnach fest, dass das Wettbewerbsverbot in Form der Unterlassungsverpflichtung der Beklagten zum Zeitpunkt der Versendung der E-Mails durch den Mitarbeiter wegen dem Ablauf von zwei Jahren nicht mehr bestanden habe.
Zwar könne ein Wettbewerbsverbot, welches die Dauer von zwei Jahren übersteigt, im Zuge der geltungserhaltenden Reduktion bestehen bleiben, im vorliegenden Fall fehlten diesbezüglich allerdings jegliche Hinweise darauf, dass dies zu einem abweichenden Ergebnis geführt hätte, da, wie bereits oben geschildert, die zwei Jahre bereits abgelaufen waren.
III.
Im Zuge der Revision der Beklagten und der dadurch festgestellten rechtsfehlerhaften Entscheidung des Berufungsgerichts hob der BGH das Urteil des OLG Hamburg vom 29. Oktober 2013 so weit auf, wie es zum Nachteil der Beklagten entschieden worden war.
Der Anschlussberufung, die die Beklagte gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg einlegte, wurde vom BGH stattgegeben, während die Berufung der Klägerin abgewiesen wurde. Das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 7. März 2013 änderte der BGH und wies die Klage insgesamt ab.
[1] Urteil des II. Zivilsenats vom 20.1.2015 – II ZR 369/13 – (bundesgerichtshof.de)
[2] Urteil des II. Zivilsenats vom 20.1.2015 – II ZR 369/13 – (bundesgerichtshof.de) Rn. 6.
[3] BGH, Urteil vom 20.01.2015 – II ZR 369/13; BGH, Urteil vom 14. Juli 1997 – II ZR 238/96.
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